Jasmina Hirschl, Elisabeth Kittl, Veronika Kocher, Rudolfine Lackner
„Ist die beste Subversion nicht die,Codes zu entstellen, statt sie zu zerstören?“
Roland Barthes: Sade, Fourier, Loyola, 1971
Jasmina Hirschl, Elisabeth Kittl, Veronika Kocher und Rudolfine Lackner erarbeiteten anschließend an die Veranstaltung ‚Revolutionäre Systeme Aktualisieren/Tatsysteme Konfrontieren III’ in der VBKÖ (2010) über das Online-Programm ‚piratepad’ eine schriftliche Zusammenfassung der folgenden aufgetretenen Fragestellungen (1): Wie gehen die Organisation eines ‚Open Calls’, darauffolgende Jury-/Sitzungen, sowie ein Auswahlprozess vor sich, wenn all das aus einer kunst/kritischen Perspektive geschieht? Wie gelingt eine Offenlegung so unterschiedlicher Positionen wie die der den ‚Open Call’ Ausschreibenden und Einreichenden, wenn beide die inhärenten Entscheidungs- und Kunstmarktsysteme eigentlich zurückweisen?
Der ‚Open Call’ evoziert(e) aufgrund der sehr umstrittenen Konstruktion des einstigen Wiener Bürgermeisters Karl Lueger (1844-1910) als ‚Vaterfigur’ Wiens eine sehr große Medienresonanz. Trotz fehlender Preisgelder gingen unerwartet viele Entwürfe ein (siehe www.opencall.luegerplatz.com).
In einer Jury-Sitzung wurden subversive und konservative Geister eingebunden, um zu einem mehrperspektivisch prämierten Entwurf zu gelangen. Die Jury-Mitglieder waren: Aleida Assmann, Gerald Bast, Eva Blimlinger, Felicitas Heimann-Jelinek, Johanna Kandl, Martin Krenn, Lisl Ponger und Doron Rabinovici. Nachdem im Zuge des Jury-Verfahrens jede_r in einer ersten Runde ihre_seine 10 persönlichen Favorit_innen durch Vergabe von 1-10 Punkten auswählte, wurden in einer zweiten Runde die am besten bewerteten weiter behandelt und aus dieser Short List wiederum ein_e Favorit_in prämiert. Die Arbeitskreismitglieder des ‚Open Calls‘ selbst agierten – nach einer internen Sitzung zur Wahl ihrer 10 favorisierten Einsendungen – in dieser Jury als eine Stimme.
Der schließlich von allen prämierte Entwurf kommt von Klemens Wihlidal. Sein Umgestaltungsvorschlag, das Luegerdenkmal um 3,5° nach rechts zu kippen, wurde daraufhin zwecks Umsetzung bei der Stadt Wien eingereicht. Die Stadt Wien steht zwar der sich bereits in Arbeit befindlichen Publikation des ‚Open Calls’ positiv gegenüber, weigert sich jedoch, ein klares Statement zur tatsächlichen Umgestaltung des Denkmals abzugeben. Wihlidals Entwurf wurde unter anderem deshalb ausgewählt, weil er in Verhandlungsgesprächen mit der Stadt Wien als „nicht zu provokativ“ und daher „realistisch“ in Bezug auf eine dauerhafte Umgestaltung erschien.
In den insgesamt 220 Einreichungen beziehen sich etwa 30 Einreicher_innen auf die feministische Facette im Personenkult Luegers. Unter ihnen befinden sich die Künstlerinnen Cana Sophie Bilir-Meier, Irene Hohenbüchler, Elisabeth Kittl, und die Arbeitskreis-Aktivistinnen Jasmina Hirschl, Veronika Kocher und Lilly Panholzer.
Christine und Irene Hohenbüchler brachten unter dem Titel ‚Worte sind Keime’ drei Vorschläge ein, die sich alle auf den Aphorismus der Philosophin und Malerin Rosa Mayreder stützen: „Worte sind Keime, sie gehen auf, wo sie ihren Boden finden – sie schlagen Wurzeln, sie wachsen, sie tragen Früchte – irgendwo und irgendwann.“(2) Zwei der drei Entwürfe verstehen sich u. a. als Würdigungsumwertung großer, jedoch nahezu unbekannter Frauennamen aus Politik und Kultur in Österreich. Frauen, die Zeitzeuginnen des antisemitischen Wiener Bürgermeisters Karl Lueger waren. Es soll „die wegweisende Kraft, die aus dem Denken und Handeln dieser Frauen resultierte, die alle in Wien um die Jahrhundertwende agierten und wirkten“(3) hervorgehoben und „ihre Marginalisierung in der öffentlichen Wahrnehmung beleuchtet“ werden.
„Persönlichkeiten auf ein Podest gestellt, täglich wahrgenommen, kaum hinterfragt, ein bequemer Zustand, der gestört gehört“(4), befinden Susanne Dechant und Elisabeth Kittl mit ihrer Einreichung unter dem Titel ‚Vom Sockel gehoben‘. Ein Erdhügel ermöglicht eine Annäherung auf Augenhöhe Luegers und kehrt seine (üb)erhöhte Position um. „Dass die Umgestaltung eines Denkmals an prominenter Stelle, wie das von Bürgermeister Lueger, Auswirkungen in jede Richtung, also auch reaktionäre zeigt, stimmt. Schwerer wiegt aber die Aufnahme einer Diskussion darum in einen Diskurs, der hier durch junge und ungestüme Menschen angeregt wurde. Und dass dieser auch mit frauenbewegenden Ressourcen gespickt wird, wie es die Einreichung ‚Vom Sockel gehoben‘ tut, die drei große Frauen (Helene von Druskowitz, Marie Jahoda und Gerda Lerner) zum Vorschein bringt. Auch die Auseinandersetzung mit dem Thema Denkmal an sich, zum Beispiel bezogen auf diese eine steinerne männliche Figur, erweiterte das Blickfeld und lässt mich dann schmunzeln, wenn ich am Parlament vorbeifahre und sehe, dass es umzingelt ist mit kämpferischen und weisen Frauenfiguren.“ (Elisabeth Kittl)
Die Künstlerin Cana Bilir-Meier wiederum meint, dass das Lueger-Denkmal „in immer wieder neuen Facetten zerschnitten und gespiegelt“ werden solle, um es so seiner „Glorie“ wie auch dem „Mythos Lueger und dessen politischer Funktionalisierung“ zu berauben. Betrachter_innen könnten dann nicht nur die mit Texten versehene Installation umrunden, sondern auch ihre Umgebung und damit sich selbst.
Die Arbeit ‚up or down?‘ von Veronika Kocher schlägt den Betrachter_innen des Mahnmals gegen Antisemitismus und Rassismus in Österreich die Möglichkeit einer Auseinandersetzung ohne direkte Anklage vor. Sie sind eingeladen, sich auf die Stufen eines Amphitheaters zu begeben, dem Ort, wo ursprünglich das Thema Demokratie verhandelt wurde. Sie können sich dort setzen und sehen, wie sich der Blickwinkel, der Überblick und die Aussicht beim Hinauf- und Hinabsteigen der Stufen verändert. Den Stufen des Amphitheaters, dem Symbol für Demokratie, werden historische Fakten bezüglich der Entwicklung Österreichs in Richtung Aufarbeitungs- und Integrationsgeschichte eingeschrieben. Die genannten Daten ergeben im zeitlichen Zusammenhang eine gewisse Peinlichkeit, mit der sich die Betrachter_innen auseinandersetzen können. Die letzten 5 Stufen blieben frei, im Sinne eines Verweises auf die Zukunft und die noch vor uns liegenden Aufgaben.
Lilly Panholzer hingegen plädiert für eine ‚Luegerpat_innenschaft‘, bei der die Luegerstatue eingeschmolzen, in hundert Luegerstatuetten gegossen und im Wiener Dorotheum versteigert werden soll. Die Einnahmen mögen u. a. dem antirassistischen Verein ‚Zara‘ und dessen Initiative ‚Clean Politics‘ zugute kommen. Der Sockel kann in phallusartiger Manier stehen bleiben, jedoch in ungewohnter Weise ohne krönenden patriarchalen Helden. Die im neoklassizistischen Stil gefertigten Reliefs werden abgetragen und im Museum als Beispiel für die Einleitung der Nazi-Ästhetik gezeigt. <Personenzentrierte Geschichtsschreibung ist radikal in Frage zu stellen> oder <Nehmen wir die Achtung der Menschenwürde zum Maßstab für ‚ehrwürdige‘ Leistungen>, so lauten zwei für den Treppensockel geplante Aufschriften.
Statuen von Frauen zeigen, im Gegensatz zu Statuen von Männern, nur selten sie selbst. Meist handelt es sich nur um nackte Objekte, die z. B. Allegorien verkörpern. Von Interesse ist dabei vor allem die sich in diesen Gegebenheiten widerspiegelnde Konstruiertheit von Geschlechterdifferenzen und -rollen. Was heißt ‚weiblich‘, was heißt ‚männlich‘? Muss ich mich einer Seite zugehörig fühlen, mich für eines davon entscheiden? In Wien existieren nur drei Denkmäler, wo Frauen für sich stehen. Kennen Sie sie und wissen Sie, wo sie stehen?
Die resümierenden Fragestellungen sind: Wieweit greift der zeitgenössische Theorieansatz, statische Denkmäler lebendig zu halten, aus einer feministischen Sicht zu kurz, wenn er sich stets um die gleichen konventionellen Konstruktionen von maßgeblich androzentrischen Zeit/Geschichte/n dreht? Wieweit greift er zu kurz, wenn mit ‚lebendig‘ gemeint ist, dass diese Konstruktionen zwar als brüchig, damit veränderlich und als neukonstruierbar verstanden werden können, letztlich damit aber trotzdem die Ausgangspunkte unveränderbar wirksam bleiben? Wieweit, wenn die ‚phallusartige Manier’ fortwährend den Ursprungsbezug bildet?
Für Künstler_innen gilt es, keinen künstlerischen Provokationsstrategien nachzugeben, denn diese bestätigen nur überkommene Herrschaftsstrukturen. Aber wenn schon, dann möge es zumindest keine Provokation ohne Bekenntnis geben. Gegebene Rahmen erkennen und sichtbar machen, das war soweit einmal unsere Antwort.
1 In dem Workshop am Freitag, 19. November 2010 stellten der Arbeitskreis zur ‚Umgestaltung des Lueger-Denkmals in ein Mahnmal gegen Antisemitismus und Rassismus’ sowie Teilnehmende an dessen Open Call, insbesondere feministische Beiträge vor. 2 Rosa Mayreder: Gaben des Erlebens. Sprüche und Betrachtungen, Darmstadt 1935. 3 Siehe www.opencall.luegerplatz.com [März 2011] 4 Ebd.Jasmina Hirschl, Elisabeth Kittl, Veronika Kocher, Rudolfine Lackner
„Ist die beste Subversion nicht die,Codes zu entstellen, statt sie zu zerstören?“
Roland Barthes: Sade, Fourier, Loyola, 1971
Jasmina Hirschl, Elisabeth Kittl, Veronika Kocher und Rudolfine Lackner erarbeiteten anschließend an die Veranstaltung ‚Revolutionäre Systeme Aktualisieren/Tatsysteme Konfrontieren III’ in der VBKÖ (2010) über das Online-Programm ‚piratepad’ eine schriftliche Zusammenfassung der folgenden aufgetretenen Fragestellungen (1): Wie gehen die Organisation eines ‚Open Calls’, darauffolgende Jury-/Sitzungen, sowie ein Auswahlprozess vor sich, wenn all das aus einer kunst/kritischen Perspektive geschieht? Wie gelingt eine Offenlegung so unterschiedlicher Positionen wie die der den ‚Open Call’ Ausschreibenden und Einreichenden, wenn beide die inhärenten Entscheidungs- und Kunstmarktsysteme eigentlich zurückweisen?
Der ‚Open Call’ evoziert(e) aufgrund der sehr umstrittenen Konstruktion des einstigen Wiener Bürgermeisters Karl Lueger (1844-1910) als ‚Vaterfigur’ Wiens eine sehr große Medienresonanz. Trotz fehlender Preisgelder gingen unerwartet viele Entwürfe ein (siehe www.opencall.luegerplatz.com).
In einer Jury-Sitzung wurden subversive und konservative Geister eingebunden, um zu einem mehrperspektivisch prämierten Entwurf zu gelangen. Die Jury-Mitglieder waren: Aleida Assmann, Gerald Bast, Eva Blimlinger, Felicitas Heimann-Jelinek, Johanna Kandl, Martin Krenn, Lisl Ponger und Doron Rabinovici. Nachdem im Zuge des Jury-Verfahrens jede_r in einer ersten Runde ihre_seine 10 persönlichen Favorit_innen durch Vergabe von 1-10 Punkten auswählte, wurden in einer zweiten Runde die am besten bewerteten weiter behandelt und aus dieser Short List wiederum ein_e Favorit_in prämiert. Die Arbeitskreismitglieder des ‚Open Calls‘ selbst agierten – nach einer internen Sitzung zur Wahl ihrer 10 favorisierten Einsendungen – in dieser Jury als eine Stimme.
Der schließlich von allen prämierte Entwurf kommt von Klemens Wihlidal. Sein Umgestaltungsvorschlag, das Luegerdenkmal um 3,5° nach rechts zu kippen, wurde daraufhin zwecks Umsetzung bei der Stadt Wien eingereicht. Die Stadt Wien steht zwar der sich bereits in Arbeit befindlichen Publikation des ‚Open Calls’ positiv gegenüber, weigert sich jedoch, ein klares Statement zur tatsächlichen Umgestaltung des Denkmals abzugeben. Wihlidals Entwurf wurde unter anderem deshalb ausgewählt, weil er in Verhandlungsgesprächen mit der Stadt Wien als „nicht zu provokativ“ und daher „realistisch“ in Bezug auf eine dauerhafte Umgestaltung erschien.
In den insgesamt 220 Einreichungen beziehen sich etwa 30 Einreicher_innen auf die feministische Facette im Personenkult Luegers. Unter ihnen befinden sich die Künstlerinnen Cana Sophie Bilir-Meier, Irene Hohenbüchler, Elisabeth Kittl, und die Arbeitskreis-Aktivistinnen Jasmina Hirschl, Veronika Kocher und Lilly Panholzer.
Christine und Irene Hohenbüchler brachten unter dem Titel ‚Worte sind Keime’ drei Vorschläge ein, die sich alle auf den Aphorismus der Philosophin und Malerin Rosa Mayreder stützen: „Worte sind Keime, sie gehen auf, wo sie ihren Boden finden – sie schlagen Wurzeln, sie wachsen, sie tragen Früchte – irgendwo und irgendwann.“(2) Zwei der drei Entwürfe verstehen sich u. a. als Würdigungsumwertung großer, jedoch nahezu unbekannter Frauennamen aus Politik und Kultur in Österreich. Frauen, die Zeitzeuginnen des antisemitischen Wiener Bürgermeisters Karl Lueger waren. Es soll „die wegweisende Kraft, die aus dem Denken und Handeln dieser Frauen resultierte, die alle in Wien um die Jahrhundertwende agierten und wirkten“(3) hervorgehoben und „ihre Marginalisierung in der öffentlichen Wahrnehmung beleuchtet“ werden.
„Persönlichkeiten auf ein Podest gestellt, täglich wahrgenommen, kaum hinterfragt, ein bequemer Zustand, der gestört gehört“(4), befinden Susanne Dechant und Elisabeth Kittl mit ihrer Einreichung unter dem Titel ‚Vom Sockel gehoben‘. Ein Erdhügel ermöglicht eine Annäherung auf Augenhöhe Luegers und kehrt seine (üb)erhöhte Position um. „Dass die Umgestaltung eines Denkmals an prominenter Stelle, wie das von Bürgermeister Lueger, Auswirkungen in jede Richtung, also auch reaktionäre zeigt, stimmt. Schwerer wiegt aber die Aufnahme einer Diskussion darum in einen Diskurs, der hier durch junge und ungestüme Menschen angeregt wurde. Und dass dieser auch mit frauenbewegenden Ressourcen gespickt wird, wie es die Einreichung ‚Vom Sockel gehoben‘ tut, die drei große Frauen (Helene von Druskowitz, Marie Jahoda und Gerda Lerner) zum Vorschein bringt. Auch die Auseinandersetzung mit dem Thema Denkmal an sich, zum Beispiel bezogen auf diese eine steinerne männliche Figur, erweiterte das Blickfeld und lässt mich dann schmunzeln, wenn ich am Parlament vorbeifahre und sehe, dass es umzingelt ist mit kämpferischen und weisen Frauenfiguren.“ (Elisabeth Kittl)
Die Künstlerin Cana Bilir-Meier wiederum meint, dass das Lueger-Denkmal „in immer wieder neuen Facetten zerschnitten und gespiegelt“ werden solle, um es so seiner „Glorie“ wie auch dem „Mythos Lueger und dessen politischer Funktionalisierung“ zu berauben. Betrachter_innen könnten dann nicht nur die mit Texten versehene Installation umrunden, sondern auch ihre Umgebung und damit sich selbst.
Die Arbeit ‚up or down?‘ von Veronika Kocher schlägt den Betrachter_innen des Mahnmals gegen Antisemitismus und Rassismus in Österreich die Möglichkeit einer Auseinandersetzung ohne direkte Anklage vor. Sie sind eingeladen, sich auf die Stufen eines Amphitheaters zu begeben, dem Ort, wo ursprünglich das Thema Demokratie verhandelt wurde. Sie können sich dort setzen und sehen, wie sich der Blickwinkel, der Überblick und die Aussicht beim Hinauf- und Hinabsteigen der Stufen verändert. Den Stufen des Amphitheaters, dem Symbol für Demokratie, werden historische Fakten bezüglich der Entwicklung Österreichs in Richtung Aufarbeitungs- und Integrationsgeschichte eingeschrieben. Die genannten Daten ergeben im zeitlichen Zusammenhang eine gewisse Peinlichkeit, mit der sich die Betrachter_innen auseinandersetzen können. Die letzten 5 Stufen blieben frei, im Sinne eines Verweises auf die Zukunft und die noch vor uns liegenden Aufgaben.
Lilly Panholzer hingegen plädiert für eine ‚Luegerpat_innenschaft‘, bei der die Luegerstatue eingeschmolzen, in hundert Luegerstatuetten gegossen und im Wiener Dorotheum versteigert werden soll. Die Einnahmen mögen u. a. dem antirassistischen Verein ‚Zara‘ und dessen Initiative ‚Clean Politics‘ zugute kommen. Der Sockel kann in phallusartiger Manier stehen bleiben, jedoch in ungewohnter Weise ohne krönenden patriarchalen Helden. Die im neoklassizistischen Stil gefertigten Reliefs werden abgetragen und im Museum als Beispiel für die Einleitung der Nazi-Ästhetik gezeigt. <Personenzentrierte Geschichtsschreibung ist radikal in Frage zu stellen> oder <Nehmen wir die Achtung der Menschenwürde zum Maßstab für ‚ehrwürdige‘ Leistungen>, so lauten zwei für den Treppensockel geplante Aufschriften.
Statuen von Frauen zeigen, im Gegensatz zu Statuen von Männern, nur selten sie selbst. Meist handelt es sich nur um nackte Objekte, die z. B. Allegorien verkörpern. Von Interesse ist dabei vor allem die sich in diesen Gegebenheiten widerspiegelnde Konstruiertheit von Geschlechterdifferenzen und -rollen. Was heißt ‚weiblich‘, was heißt ‚männlich‘? Muss ich mich einer Seite zugehörig fühlen, mich für eines davon entscheiden? In Wien existieren nur drei Denkmäler, wo Frauen für sich stehen. Kennen Sie sie und wissen Sie, wo sie stehen?
Die resümierenden Fragestellungen sind: Wieweit greift der zeitgenössische Theorieansatz, statische Denkmäler lebendig zu halten, aus einer feministischen Sicht zu kurz, wenn er sich stets um die gleichen konventionellen Konstruktionen von maßgeblich androzentrischen Zeit/Geschichte/n dreht? Wieweit greift er zu kurz, wenn mit ‚lebendig‘ gemeint ist, dass diese Konstruktionen zwar als brüchig, damit veränderlich und als neukonstruierbar verstanden werden können, letztlich damit aber trotzdem die Ausgangspunkte unveränderbar wirksam bleiben? Wieweit, wenn die ‚phallusartige Manier’ fortwährend den Ursprungsbezug bildet?
Für Künstler_innen gilt es, keinen künstlerischen Provokationsstrategien nachzugeben, denn diese bestätigen nur überkommene Herrschaftsstrukturen. Aber wenn schon, dann möge es zumindest keine Provokation ohne Bekenntnis geben. Gegebene Rahmen erkennen und sichtbar machen, das war soweit einmal unsere Antwort.
1 In dem Workshop am Freitag, 19. November 2010 stellten der Arbeitskreis zur ‚Umgestaltung des Lueger-Denkmals in ein Mahnmal gegen Antisemitismus und Rassismus’ sowie Teilnehmende an dessen Open Call, insbesondere feministische Beiträge vor. 2 Rosa Mayreder: Gaben des Erlebens. Sprüche und Betrachtungen, Darmstadt 1935. 3 Siehe www.opencall.luegerplatz.com [März 2011] 4 Ebd.